Hybrid – vor Ort und online unter:
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22. Juni 2022, 18.30–20.00 Uhr
Institut für Geschichte, Universität Wien, Universitätsring 1, 1010 Wien, Hörsaal 30
Jour fixe des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit in Kooperation mit Geschichte am Mittwoch
Ilya Berkovich (Wien): Mobilisierung für die Moderne? Die Habsburger-monarchie und ihre Armee (1781–1817)
Moderation: William Godsey
Abstract:
Eine der grundlegenden Annahmen, die unser Verständnis der neueren europäischen Geschichte prägt, bezieht sich auf den vermeintlichen Gegensatz zwischen „modernen“ und „vormodernen“ Militärkulturen. Es wird argumentiert, dass die Französische Revolution eine neue Form der Kriegsführung begründet habe, die von politischem und nationalem Eifer angetrieben worden sei. Während des letzten Jahrzehnts haben Historiker:innen diese etablierte Darstellung ergänzt, indem sie Frankreich als den Erfinder eines anderen modernen Phänomens präsentiert haben: des totalen Krieges, der eine ganze Bevölkerung mobilisiert, massive Ressourcen nutzt und das Land nach jungen Männern durchkämmt. Geradlinig, umfassend und dramatisch hat sich dieses raffinierte Modernisierungsmodell für Generationen von Historiker:innen und Laien gleichermaßen als äußerst attraktiv erwiesen. Eine implizite Voraussetzung dieser Interpretation ist die Vorherrschaft der Ideologie. Die Behauptung, die Französische Revolution habe die moderne Kriegsführung geschaffen, beruht auf der Überzeugung, dass es vor allem neue Ideen gewesen seien, die die in einem beispiellosen Ausmaß erfolgende Mobilisierung menschlicher und finanzieller Ressourcen inspiriert und gerechtfertigt sowie das Verhältnis zwischen Staat und Einzelpersonen für immer verändert hätten. In diesem Vortrag werden Aspekte dieses Modernisierungsmodells hinterfragt. Als Gegenbeispiel diskutieren wir die Erfahrungen des direkten Gegenteils dessen, wofür die Französische Revolution stand: die national heterogene und multikonfessionelle Armee der Habsburgermonarchie.
Zum Vortragenden:
Ilya Berkovich studierte Geschichte in Jerusalem und Cambridge. Seine von Cambridge University Press publizierte Dissertation Motivation in War: The Experience of Common Soldiers in Old Regiment Europe wurde 2018 mit dem Distinguished Book Award der Society for Military History ausgezeichnet. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Institutes für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes des ÖAW arbeitet Berkovich derzeit an einer neuen umfassenden Sozial- und Kulturgeschichte der österreichischen Armee während der Napoleonischen Kriege.
Rückfragen: martina.fuchs@univie.ac.at