Arbeitsgruppe Frauen- und Geschlechtergeschichte:
Archiv 1980er Jahre
Das Gründungsprogramm aus dem Jahre 1982, formuliert von den Historikerinnen Heide Dienst, Helene Maimann und Edith Saurer sowie der Philosophin Herta Nagl-Docekal, hielt folgende Ziele fest: "Arbeitsvorhaben, Lehrveranstaltungen und Vortragsreihen anzuregen und Informationen bibliographischer und allgemeiner Art weiterzugeben."
Informelle Meetings
In den ersten beiden Jahren organisierten die Mitglieder der Arbeitsgruppe in einem vierzehntägigen Rhythmus stattfindende informelle Meetings. Sie schafften somit einen institutionellen Rahmen, wo neueste Literatur und wissenschaftliche Kontroversen, aber auch Forschungsvorhaben, Diplomarbeits- und Dissertationsprojekte diskutiert werden konnten. Ein wichtiger Impuls, damit die vielfach von jüngeren Historikerinnen getragene Forschung auch Eingang in die Lehre finden konnte, ging bezeichnenderweise nicht von der Universität, sondern vom Wissenschaftsministerium aus. Zur Förderung frauenspezifischer/feministischer Lehraufträge richtete Wissenschaftsministerin Herta Firnberg 1983 ein ministerielles Sonderkontingent ein. Über dieses Kontingent an Lehrauftragstunden konnten Nachwuchswissenschaftlerinnen in die Lehre eingebunden werden.
Interdisziplinäre Ringvorlesungen
In der Folge verlagerten sich die Aktivitäten der Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Organisation von interdisziplinären Ringvorlesungen. "Neue Ansätze in der Frauenforschung" war der Titel der ersten Ringvorlesung im Studienjahr 1986/87, in welcher Historikerinnen, Soziologinnen, Volkskundlerinnen, Kunsthistorikerinnen und Literaturwissenschaftlerinnen die Diskussionen in ihren Fachbereichen vorstellten und analysierten. Im Wintersemester 1988/89 standen die "Geschlechterbeziehungen in der bürgerlichen Gesellschaft" im Zentrum, die Vorträge wurden 1990 unter dem Titel: Das Weib existiert nicht für sich. Geschlechterbeziehungen in der bürgerlichen Gesellschaft publiziert.
Fünftes Historikerinnentreffen
Wichtige Impulse für die internationale Vernetzung der Wiener Frauengeschichte gingen auch vom 5. Historikerinnentreffen aus, welches von Studentinnen und Absolventinnen der Studienrichtung Geschichte im April 1984 in Wien organisiert worden war. Das Wiener Treffen griff die Tradition von vier vorangegangenen Historikerinnentreffen in der Bundesrepublik Deutschland auf, erweiterte aber den Kreis der Teilnehmerinnen auf insgesamt rund 600 Frauen bzw. 76 Referentinnen aus verschiedenen Ländern. Sie diskutierten mehrere Tage lang eine umfangreiche und thematisch offen gehaltene, in Arbeitskreise unterteilte Palette von Ergebnissen und Theorieansätzen der Frauengeschichte.
Rundbrief der Historikerinnen
Zur Intensivierung der Kommunikation unter den österreichischen Historikerinnen initiierten die Mitglieder der Arbeitsgruppe den Rundbrief der österreichischen Historikerinnen, in dem über aktuelle Forschungs- bzw. Diplomarbeits- und Dissertationsprojekte, über Lehrvorhaben aber auch über Tagungen, interessante Neuerscheinungen berichtet wurde. Die ersten drei Nummern gab die Arbeitsgruppe heraus, für die Herausgabe der folgenden Nummern zeichneten Historikerinnen anderer österreichischer Universitätsstädte und ab 1989 der Verein für österreichische Frauenforschung verantwortlich.
Internationale Vorlesungen
Stand in den ersten Jahren die Vernetzung der österreichischen Wissenschaftlerinnen im Vordergrund, so verschoben sich Ende der achtziger Jahre die Aktivitäten in Richtung internationale Vernetzung. Zu der im Wintersemester 1989/90 angebotenen Vorlesung "Religion, Kirche und Geschlecht", in deren Zentrum das Mittelalter stand, ebenso wie zu jener im Sommersemester 1990 "Frauen, Männer und Religion in der Neuzeit" waren vor allem Historikerinnen aus Deutschland, Italien und der Schweiz eingeladen. Die Vorträge der ausländischen Kolleginnen sollten auch die je nach Wissenschaftskultur recht unterschiedlichen Zugänge zum Bereich der Frauen- und Geschlechtergeschichte sichtbar machen.
Institutionalisierung
Ein Themenkomplex, der die Mitglieder der Arbeitsgruppe seit ihrer Gründung beschäftigte, war die Frage der Institutionalisierung der Frauengeschichte. Die unterschiedlichen Institutionalisierungsversuche in den westeuropäischen Ländern wurden kritisch beobachtet und schließlich im Sommer 1986 in einer gemeinsam mit dem Wiener Institut für Wissenschaft und Kunst veranstalteten internationalen Tagung auf breiter Basis diskutiert. Die Mehrheit der Teilnehmerinnen sprach sich sowohl aus wissenschaftstheoretischen (Frauenforschung ist keine Fach, sondern eine Perspektive) als auch aus wissenschaftspolitischen Überlegungen (Gefahr von Nischenbildung und Ghettoisierung) gegen Sondereinrichtungen wie eigene Frauenforschungslehrstühle oder auch Frauenforschungszentren aus.
Interuniversitäre Initiative
Die Mitstreiterinnen der im Herbst 1989 gegründeten interdisziplinären Inititative zur Förderung der Frauenforschung und ihrer Verankerung in der Lehre knüpften an diese Überlegungen wieder an und entschieden sich gegen die vom Wissenschaftsministerium angebotene Einrichtung eines Frauenforschungszentrums. Nach eingehender Diskussion der Vor- und Nachteile der in anderen westeuropäischen Ländern gewählten Institutionalisierungsvarianten fiel die Entscheidung für die Einrichtung von Koordinationsstellen, die als reine Dienstleistungseinrichtungen die Arbeit von Studentinnen und Wissenschafterinnen unterstützen und die nationale als auch internationale Vernetzung fördern sollten.
Bibliothek
In den ersten Jahren der Tätigkeit der Arbeitsgruppe war die Bibliothekssituation mehr als schlecht. Um die Infrastruktur rasch zu verbessern, regte die Arbeitsgruppe die Einrichtung einer eigenen Abteilung für Frauen- und Geschlechtergeschichte, der F-Abteilung in der Fachbibliothek für Geschichtswissenschaften an.