Unter dem Ziel, Ansätze zur Erforschung der (Innen)Differenzierung von Wissenschaften mit disziplingeschichtlichen Ansätzen und sozialgeschichtlichen Aspekten der Universitätsgeschichtsschreibung zu kombinieren, konzentriert sich dieses Projekt auf die Aushandlungsprozesse, welche die Differenzierung von Geistes- wie Naturwissenschaften mitgestalten. Die Professoren der Philosophischen Fakultät in Wien verhandelten Lehrstuhlbesetzungen und die akademische Etablierung neuer Disziplinen, wobei diese von Kooperation wie Konkurrenz geprägten Verhandlungen den Einflüssen ihrer meist multidisziplinären Bildungshintergründe, ihrer verschiedenen wissenschaftlichen Ansätze sowie ihrer unterschiedlichen politischen Einstellungen, Konfessionszugehörigkeiten und sozialer Herkunft unterlagen. Ihre Entscheidungen über Ausschluss oder Zulassung von wissenschaftlichen Theorien, Ansätzen und Methoden formten einen lokalen wissenschaftlichen Stil, der die Wiener Philosophische Fakultät als „Raum des Wissens“ oder wissenschaftliches Feld charakterisiert. Dieses war in den spezifischen politischen, kulturellen und sozialen Kontext der späten Habsburgermonarchie eingebettet. Dabei sind unterschiedliche wissenschaftliche Anschauungen und Auffassungen von der Funktion der Universitäten für den Staat und dessen Einfluss auf die Fakultät von Bedeutung. Weiters ist die Philosophische Fakultät ein Teil der Geschichte von „Wien 1900“ und ihren Zusammenhängen mit der Entwicklung von Liberalismus, wissenschaftlichem Rationalismus, Moderne und Irrationalismus im Wiener Bürgertum. Eine Analyse des Verhältnisses zwischen den von der Philosophischen Fakultät repräsentierten Wissenschaften und bereits bekannteren Aspekten von „Wien 1900“ wird den Blick auf beide Gebiete schärfen.