Geschichte am Mittwoch - Geschichte im Dialog

Programm WS 2011/12

Ort: Universität Wien - Institut für Geschichte, HS 45
Zeit: Mittwoch, 18.00 c.t. - 20.00 Uhr

Wenn Sie per Mail eingeladen werden wollen, mailen Sie bitte an folgende Adresse: veranstaltungen.geschichte@univie.ac.at

Organisation, Planung und Audioaufzeichnungen: Stefan Zahlmann
Für die IEFN-Vorträge: Susanne Pils

 

5. Oktober: Siegfried GÖLLNER
Die Parteien, die 'Ehemaligen' und die Entnazifizierung - Verlaufsskizzen politischer und popularer Diskurse zur Entnazifizierung in Österreich 1945-1957.

Abstract: Tragende Elemente des österreichischen Nachkriegsgedächtnisses waren die Externalisierung des Nationalsozialismus und die Opferthese. Im ersten Jahrzehnt der Zweiten Republik erfuhr die staatsrechtliche Opferthese im öffentlichen Diskurs eine Universalisierung, die schließlich auch die "Ehemaligen" in das österreichische Opferkollektiv integrierte.
Im Vortrag werden Ergnisse der Analysen des politischen Diskurses zur "Entnazifizierung", sowie der Selbstdarstellung ehemaliger Nationalsozialisten in Briefen an die Bundesregierung aus dem Zeitraum 1945-57 vorgestellt. Somit soll versucht werden nachzuvollziehen, wie sich die Entwicklung des politischen und öffentlichen Diskurses zur "Entnazifizierung" in Österreich im Diskurs der "Ehemaligen" spiegelte, wie sich das Angebot von politischer Seite, sich in das Opferkollektiv einzufügen, auf die Selbstdarstellung und die Konstruktion persönlicher Opfernarrative auswirkte und wie umgekehrt Elemente der Populartradition der "Ehemaligen" in den politischen Diskurs Aufnahme fanden.

12. Oktober: Elisabeth PAULI (Graz)
Die Befreiung christlicher Gefangener durch den Trinitarierorden in der Habsburgermonarchie von 1688 bis 1783
Moderation: Stephan Steiner

Abstract: In dem Vortrag werden die zentralen Ergebnisse meiner Dissertation zu diesem Thema vorgestellt. Nach Bemerkungen zur Geschichte des Trinitarierordens insgesamt werden Etablierung und Ausdehnung der "Unbeschuhten Trinitarier" als monastischer Organisation in der Habsburgermonarchie im 17. und 18. Jahrhundert im politischen, religiösen und gesellschaftlichen Kontext erörtert, auch wird die Mitgliederstruktur des Ordens thematisiert. Im Zentrum der Ausführungen steht dann aber die spezifische karitative Tätigkeit der geistlichen Gemeinschaft, die Befreiung von Christen (sowohl Kriegsgefangene im engeren Sinn als auch verschleppte Nicht-Kombattanten) aus der Gefangenschaft bei "Ungläubigen", im Allgemeinen Muslimen.

Zur Person: Elisabeth Pauli, 2004 Abschluss des Diplomstudiums der Geschichte mit Fächerkombination Philosophie, Theologie, Jus und Germanistik an der Universität Graz. 2006–2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin in FWF-finanzierten Forschungsprojekten zum Thema "Karitative katholische Orden im frühneuzeitlichen Mitteleuropa" am Centrum für Sozialforschung der Universität Graz, zugleich Doktoratsstudium im Bereich Österreichische Geschichte, Abschluss 2011.

19. Oktober: Bianca WINKLER
Never mind the Classics.

Abstract: Der Kurs "Never Mind the Classics" - anrechenbar als Basiskurs "Lektüre historiographischer Texte" oder verwandte LV-Typen - bietet einen Überblick über die philosphischen Grundlagen diverser historischer Strömungen. So sollen Ansätze der Wirtschaftsgeschichte, der Alltagsgeschichte, der Wissenschafts- und Kulturgeschichte in gleichem Maße vorgestellt und präsentiert werden - dies jedoch nicht anhand von rein theoretischen Texten sondern von ihrer Pendants in der praktischen Umsetzung der historischen Forschung. Diese didaktische Methode möchte eine Schere zwischen Theorie und Praxis überbrücken und den Studenten ein Rüstzeug auf den Studienweg mitgeben anhand dessen sie sich in der breiten Landschaft der Historie orientieren und womöglich auch besser zurecht finden können.

9. November: Franz FELBERBAUER
Granaten und Grenadiere. Eine Untersuchung der Handgranatensammlung auf Burg Forchtenstein

Abstract: Auf der Burg Forchtenstein, die sich seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Esterházy befindet, lagert eine beträchtliche Zahl von Handgranaten aus dem 15. bis 17. Jahrhundert. In Fortsetzung eines Forschungspraktikums von Univ. Prof. Dr. Vocelka hat der Vortragende den Nachbau von irdenen und gläsernen Handgranaten veranlasst. Diese Rekonstruktionen wurden in praktischen Sprengversuchen erprobt. Dabei ergaben sich überraschende Übereinstimmungen mit modernen Handgranaten aus dem 20. Jahrhundert.
Aus dem Vergleich mit zeitgenössischen Quellen zeigen sich die erstaunlichen Fertigkeiten der damaligen "Feuerwerker". Es bestand offenbar eine zumindest mitteleuropäische Normierung dieser Waffen. Aus Experimenten und Quellenstudium entsteht ein anregender Brückenschlag zwischen Natur- und Geisteswissenschaft. 

16. November: Hans KÖRBL (Wien)
Georg Ludwig Graf von Sinzendorf (1616-1681)
Moderation: Martin Scheutz

Abstract: Georg Ludwig Graf von Sinzendorf (1616-1681) war einer jener Hochadeligen, die als Hofkammerpräsident Karriere am Hofe Kaiser Leopolds I. machte, eine Funktion, die er fast 25 Jahre ausübte. Bereits in den frühen Jahren seiner Tätigkeit tauchten Gerüchte und Vorwürfe auf, dass Sinzendorf sein Amt nur in eigennütziger Weise ausübe. Umso erstaunlicher ist es, dass erst 1679 ein formeller Strafprozess wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten eröffnet wurde, der mit einer Verurteilung endete. In dem Referat werden vor allem die Persönlichkeit des Präsidenten und die Hintergründe und das Umfeld des Strafprozess ausgeleuchtet.

Zur Person: Hans Körbl ist Jurist, beschäftigte sich aber in seinem Berufsleben vor allem mit Finanzangelegenheiten. Zuletzt war er in einem internationalen Unternehmens in leitender Funktion tätig. Als Seniorstudent studierte er Geschichte mit dem Interessensgebiet der Frühen Neuzeit. Seine Forschungen über die Hofkammer und den Prozess gegen Georg Ludwig Sinzendorf wurden in einer Reihe des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung publiziert.

23. November: Regina CÂMARA
Revolution und Befreiung im brasilianischen Film der 1960er Jahre.

Abstract: Auch in Brasilien wurde in den 1960er Jahren vehement über die kubanische Revolution diskutiert. Jedoch setzten sich die Studenten und die katholische Kirche hier eher für radikale soziale Reformen ein, um eine gerechte Demokratie zu schaffen - nicht für eine Revolution. Der Militärputsch 1964 machte dieses Bestreben, das von vielen Bevölkerungsgruppen gemeinsam formuliert wurde, zunichte. Gerade die Filmemacher griffen die Idee von Revolution und Befreiung auf und setzten sie in ihren Filmen um. Glauber Rocha und und Ruy Guerra gelang es, einen filmischen Ausdruck für die  persönlichen und politischen Zusammenhänge von Revolution  zu finden.

Zur Person: Promotion im Fach Geschichte über das Cinema Novo an der Universität Hamburg, Lehraufträge an den Universitäten Potsdam und Brasília, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Universität Hannover, Kuratorin zahlreicher Filmreihen (Arsenal, Berlin/ Metropolis, Hamburg/ Zeughauskino, Berlin etc). www.reginacamara.com

30. November: Franz HALBARTSCHLAGER
Formen (inter)kultureller Begegnungen im Rahmen der europäischen Expansion nach Übersee. Das Beispiel Portugal.

Abstract: Interkulturelle Begegnungen sind heute eine alltägliche Realität. Zu Beginn der so genannten europäischen Expansion nach Übersee waren diese ersten Erfahrungen und Kontakte in der Regel ein besonderer Moment für alle beteiligten Seiten. Misserfolge wurden oft mit Menschenleben bezahlt und die ersten Kontakte bestimmten nicht selten die anschließenden Systeme kolonialer Besitzergreifung durch die Europäer mit.
Der Vortrag wird aus drei Teilen bestehen: (1) Zunächst werden allgemeine Überlegungen (inkl. Diskursdebatte) zum Themenrahmen vorgestellt. (2) In einem zweiten Teil werden einige ausgewählte exemplarische Beispiele präsentiert, wobei auf europäischer Seite Portugal als Beispielland herangezogen wird. Die vielfältigen Begegnungen portugiesischer Seeleute mit Gesellschaften in Afrika, Asien und Lateinamerika begründen diese Wahl. (3) In einem abschließenden Teil wird das Konzept für eine mögliche Lehrveranstaltung zu diesem Thema vorgestellt.

Zur Person: Franz Halbartschlager, geb. 1967, Studium der Geschichte und Geographie in Wien, längere Forschungsaufenthalte in Portugal (1994/1995 und 1996). Dissertation zum Thema: Portugiesische Faktoreien und Stützpunkte in Übersee. Seit 1997 Mitarbeiter der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisation Südwind. Leiter von zahlreichen internationalen Projekten zum Thema Interkulturelles Lernen, Globales Lernen und Entwicklungspolitik.


7. Dezember: Marta HANSON (Johns Hopkins University)
"Understanding Is Within One's Grasp" (遼 然 在 握  Liaoran zai wo): Hand Mnemonics and Chinese Arts of Memory
Moderation: Lena Springer (Department of East Asian Studies) und Marianne Klemun (Institut für Geschichte)

Abstract: In Chinese hand mnemonics the natural lines of the palm represented squares where characters were conveniently recalled. Illustrations of hands as tu (a diagram) represent both esoteric and vernacular knowledge. The first appeared in the eighth century and continue to the present. Hand mnemonics tell us what the Chinese memorized, who memorized it, and where such memorized knowledge was valued. After an overview of the range of Chinese hand mnemonics, I focus on examples from 19th-century almanacs and some rare Chinese manuscripts in the Staatsbibiliothek in Berlin.

Zur Person: Marta Hanson, Associate Professor, Department of the History of Medicine, Johns Hopkins University, School of Medicine, mhanson4@jhmi.edu, currently Visiting Research Fellow at the International Consortium for Research in the Humanities, University of Erlangen.
Hanson’s first book was published this past July: Speaking of Epidemics in Chinese Medicine: Disease and the Geographic Imagination in Late Imperial China. Needham Research Institute Series on East Asian Science, Technology, and Medicine. London: Routledge Press, 2011.
Hanson’s second book project is on Hand Mnemonics and Chinese Arts of Memory. Her talk will be based on recent research related to this project.

Medienbericht: Der Standard, 7.12.2011 (PDF)
 
14. Dezember: Stephan STEINER (Wien)
Die Aufklärung verschlingt ihre Kinder. Anatomie einer blutigen Woche
Moderation: Karl Vocelka

Abstract: September 1782: Kaiser Joseph II. liest die "Wiener Zeitung" und stößt auf eine seltsame Meldung. In einem Prozess, der kurz zuvor in Ungarn stattgefunden hat, wurden 41 Roma wegen Einbruchs, Raubs, Mordes - und Menschenfresserei exekutiert, beinahe 100 noch Inhaftierte erwartet ein ähnliches Schicksal. Der Kaiser zweifelt an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens und will mehr darüber wissen. Die Verhöre, Urteile und Untersuchungsprotokolle, die im Zuge dieser Ermittlungen zutage kommen, ermöglichen die Rekonstruktion eines Justizmassakers am Höhepunkt der Aufklärung.

Zur Person: Stephan Steiner, Historiker, Essayist und Kritiker. Dissertation zur Verfolgung des Kärntner Protestantismus im 18. Jahrhundert. Habilitationsschrift zu Deportationen in der Habsburgermonarchie. Herausgeber der Politischen Schriften von Jean Améry und einer Publikation zum Völkermord in Ruanda. Lehrt an der Sigmund Freud PrivatUniversität in Wien.

11. Jänner: Mitchell ASH
Naturwissenschaften im historischen, philosophischen und kulturellen Kontext - Präsentation des DK-plus-Programms und Dissertationsprojekte

18. Jänner: Stefan ALBL (Wien)
Dosso Dossis Hieronymus. Über den Umgang mit visueller Kultur in Ferrara im frühen 16. Jahrhundert
Moderation: Friedrich Polleroß

Abstract: Dosso Dossi (ca.1486-1542) verbrachte den Großteil seiner Karriere im Dienst der beiden Herzöge Alfonso I. (reg. 1505–1534) und dessen Nachfolger Ercole II. d'Este (reg. 1534–1559). Um 1518 schuf er ein Gemälde, das ganz entscheidend zu seiner Entwicklung als Hofmaler der Este in Ferrara beitrug. Der Hieronymus (Wien, KHM) ist ein konzeptuelles Meisterwerk, das durch seine Vielschichtigkeit die Diskurskultur über Kunst am Hof der Este forcieren sollte. Ausgehend von der Kompositionsstruktur des Gemäldes werden die zahlreichen Querverbindungen zum höfischen Leben aufgeschlüsselt und so ein Beitrag zum Umgang mit visueller Kultur im Ferrara des frühen 16. Jahrhunderts versucht.

Zur Person: Stefan Albl, geb. 1984, Studium der Kunstgeschichte in Wien und Rom. 2011 Diplomarbeit zu Dosso Dossis Hieronymus bei Prof. Wolfgang Prohaska und Dr. Werner Telesko. Derzeit Dissertation über Pietro Testa als Maler (1612-50) bei Prof. Sebastian Schütze und Prof. Wolfgang Prohaska. Ab Oktober 2011 Stipendiat am Österreichischen Historischen Institut in Rom.

25. Jänner: Anne-Katrin EBERT
Schlüssel zum Glück. Konsumgeschichte und die Politik der Alltagsdinge.

Abstract: Konsum galt lange Zeit als banal und der historischen Betrachtung nicht würdig.  Häufig erschien der Konsument nur als bloßer Empfänger der Produktion, die als der eigentliche Dreh- und Angelpunkt bei Innovation, Herstellung und Vertrieb von Waren galt. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Geschichtswissenschaft, in der Konsum im Unterschied zur Produktion lange Zeit wesentlich weniger intensiv erforscht wurde. Mittlerweile jedoch ist die Konsumgeschichte zu einem der boomenden Zweige der Geschichtswissenschaft geworden.
Im Mittelpunkt des Vortrags wird der Umgang von Menschen mit Konsumgegenständen stehen. Dieses interaktive Verhältnis, bei dem der Mensch eine ak­tive Aneignung des Gegenstands unternimmt, während umgekehrt der Gegenstand bestimmte Vorgaben und Sinnbedeutungen an den Menschen heranträgt, soll anhand ausgewählter Beispiele näher analysiert werden. Auf diese Weise werden unterschiedliche Fragestellungen und vielfältige Quellen aufgezeigt, die das historische Studium des Konsums zu einem äußerst reizvollen Feld der wissenschaftlichen Auseinandersetzung machen. Der Vortrag will verdeutlichen, dass die Frage nach dem Konsum auf die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens mit immanent sozialer, kultureller und politischer Bedeutung abzielt.

Zur Person: Anne-Katrin Ebert studierte Geschichte und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften an der Freien Universität Berlin und der Emory University, Atlanta, USA. Sie promovierte 2009 an der Universität Bielefeld und der Rijksuniversiteit Groningen im Rahmen des Marie Curie Programms "European Doctorate in the Social History of Europe and the Mediterranean". Ihr Buch Radelnde Nationen: Die Geschichte des Fahrrads in Deutschland und den Niederlanden bis 1940 erschien 2010 beim Campus Verlag und wurde mit dem "Prize for Young Scholars" des International Committee for the History of Technology ausgezeichnet. Seit 2009 ist sie Leiterin des Sammlungsbereichs Verkehr am Technischen Museum Wien.