Geschichte am Mittwoch (GaM) im WS 2004/05

Ort: Universität Wien - Institut für Geschichte, HS 45
Zeit: Mittwoch, 18.00 c.t. - 20.00 Uhr

Wenn Sie per Mail eingeladen werden wollen, mailen Sie bitte an folgende Adresse: veranstaltungen.geschichte@univie.ac.at

Organisation und Planung: Ursula Prutsch
Für die IEFN-Vorträge: Susanne Pils

 

6. Oktober 2004 – Berthold MOLDEN (Wien)
„Guatemala zwischen Wahrheit und Kommission: Die Erforschung der Bürgerkriegsgeschichte als neuer Schauplatz alter Konflikte“
Berthold UNFRIED (Wien) „Historikerkommissionen und 'Wahrheitskommissionen’ seit den 1990er Jahren“
Moderation: Martina Kaller-Dietrich

Abstract: 1996 ging in Guatemala der opferreiche innere Krieg zu Ende, seit 1999 liegen die Berichte zweier sogenannter Wahrheitskommissionen vor, und doch gibt es weiterhin keine konsensuelle Einschätzung dieser Periode. Wer ist nach Bürgerkriegen oder Diktaturen berufen, die Vorgeschichte des Konfliktes zu erzählen und den Hergang der Verbrechen zu analysieren? Dieses Problem beschäftigt seit den Erfahrungen Südafrikas, Argentiniens und anderer Transitionsländer auch die angewandte Geschichtswissenschaft. Angesichts der kniffligen Frage „Was ist Wahrheit?“ begibt sich die historische Forschung auf das schlüpfrige Terrain emotionsgeladener Nachkriegspolitik. Aus den Erkenntnissen und Analysen dieser Untersuchungen werden Argumente im Verteilungskampf der gesellschaftlichen Neuordnung oder gerichtlicher Initiativen gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher. Guatemala als Fallbeispiel eines historiographischen Grenzganges zwischen Wissenschaft und Politik.
Zur Person: geboren 1974, studierte Geschichte an der Universität Wien. Mitarbeiter der Österreichischen Historikerkommission. 2001-2003 DOC-Stipendiat der Akademie der Wissenschaften, mit einer Arbeit zur Geschichtsdebatte der guatemaltekischen Nachkriegsgesellschaft. Forschungsschwerpunkt: Analyse konkurrierender Geschichtsnarrative.

Berthold UNFRIED:
Abstract: Seit Anfang der 1990er Jahre sind Restitution und Entschädigung von Vermögensverlusten, welche durch die nationalsozialistische Judenverfolgungspolitik verursacht wurden, ein in der Öffentlichkeit der USA und Europas präsentes Thema. Nachdem es sich um Sachverhalte handelt, die ein halbes Jahrhundert zurückliegen, sind Historikerinnen und Historiker als Experten aufgerufen. Sie geben Expertisen in Historikerkommissionen, sind als Berater von Regierungen, Organisationen, Anwälten und Unternehmen in Restitutionsangelegenheiten tätig. Gleichzeitig ist klar, dass das politische Fragen sind, die historisch argumentiert, aber politisch entschieden werden. Darin besteht kein großer Unterschied zu den sogenannten „Wahrheitskommissionen“, die ebenfalls seit den 1990er Jahren und meist nach dem Muster der südafrikanischen „Wahrheitskommission“ (1994-2003) eine eben vergangene Diktaturerfahrung bearbeiten. Diese Entwicklungen werfen Fragen nach möglichen Gründen der Konjunktur von Historiker- und Wahrheitskommissionen sowie zu der Rolle von HistorikerInnen und anderen Experten zwischen dem wissenschaftlichen Ideal nach „Wahrheitserforschung“ – und nicht selten Parteinehmender -Expertise auf.
Zur Person: geb. 1960, Dozent für Sozialgeschichte am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien, wissenschaftlicher Mitarbeiter an Forschungsinstituten in Österreich, Frankreich und der Schweiz, zuletzt Mitarbeiter der Österreichischen Historikerkommission zur Erforschung von „Arisierungen“ und Restitution von Unternehmen. Forschungsschwerpunkte der letzten Jahre zur Kulturgeschichte des Stalinismus, zu Praktiken institutionalisierter Selbstthematisierung und zu sozialen Rahmen kollektiver Erinnerung; aktuell zu Vermögensrestitution und Entschädigung im internationalen Vergleich.

13. Oktober 2004 – Peter RAUSCHER (Wien)
„’Ganze Dörffer voll Juden in Oesterreich.’ Zur Geschichte der niederösterreichischen Landjuden im 17. Jahrhundert“ (in Kooperation mit dem IEFN)
Moderation: Karl Vocelka

Abstract: In jüngster Zeit rückte die Geschichte der Juden in der Frühen Neuzeit verstärkt in das Interesse der Forschung. Dabei fand das jüdische Leben auf dem Land, in Dörfern und Kleinstädten, zunehmende Aufmerksamkeit. Früher als in den meisten anderen Teilen des Alten Reichs entwickelte sich in Österreich unter der Enns in der 1. Hälfte des 17. Jhs. eine Vielzahl jüdischer Siedlungen auf dem Land. Auf Basis der aktuellen Ergebnisse des Forschungsprojekts „Austria Judaica“ am Institut für Geschichte der Juden in Österreich analysiert der Vortrag die Lebensbedingungen der niederösterreichischen Landjuden.
Zur Person: Studium der Geschichte und Germanistik in Erlangen, Tübingen, Passau und Wien. 2001 Dr.phil.; 1999-2002 Mitarbeit am Forschungsprojekt „Die kaiserlichen Finanzen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts“ (Universität Wien, Institut für Geschichte); seit 2002 Mitarbeit am Forschungsprojekt „Austria Judaica“ (Institut für Geschichte der Juden in Österreich); Lektor an der Universität Wien. Forschungen: Heiliges Römisches Reich, Habsburgermonarchie, Finanz- und Verfassungsgeschichte, Jüdische Geschichte in der Frühen Neuzeit.

20. Oktober 2004 – Barbara SCHEDL (Wien)
„Das ehemalige Dominikanerinnenkloster in Tulln. Eine Selbstinszenierung des Habsburgerkönigs Rudolf I.“
Moderation: Ralph Andraschek-Holzer

Abstract: Die Politik König Rudolfs I. ist von Historikern und Geschichtsschreibern aller Epochen beurteilt und gewürdigt worden. Das Wirken des Habsburgers als kunstfördernder Mäzen, die Frage nach königlichen Bildstiftungen und seine Rolle als Bauherr wurden bislang für das Herzogtum Österreich kaum untersucht, obwohl es nicht wenige Baumonumente und Kunstwerke gibt, die in den ehemaligen babenbergischen Ländern mit Rudolf I. in Verbindung zu bringen sind. Wohl ist vieles nur mehr fragmentarisch erhalten oder gar zerstört, doch etliche Bildquellen, Berichte von Zeitgenossen und archäologische Funde helfen, ein Bild von der oft postulierten rudolfinischen Bescheidenheit zu vermitteln, so dass dieser Beitrag eine Zusammenschau wagt. Ausgehend von gewichtigen Maßnahmen, die der Habsburgerkönig zur Imagebildung seiner Dynastie in Wien setzte, soll die - fast überdimensionale - königliche Klosterkirche in Tulln im Mittelpunkt des Vortrages stehen. Die innovative Raumstruktur mit einer einzigartigen Ausstattung hatte für die architekturhistorische Entwicklung in Österreich Signalwirkung.
Zur Person: Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien, 1995 Promotion, von 1993-2002 Mitarbeiterin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Universitätslektorin an der Universität Wien, von 2001-2003 wissenschaftliche Mitarbeit an einem EU-Projekt zum Thema „Benedictine Monastery Plan“ im Rahmen von „Kultur 2000“, seit 2003 Charlotte Bühler – Habilitationsstipendium (FWF) über „Die ehemaligen Frauenklöster des Mittelalters in Wien“. Forschungsschwerpunkte: (Kloster)Architektur des Mittelalters und deren Rekonstruktion mittels neuer Medien.

27. Oktober 2004 - Waltraud BAYER (Wien)
„’Eine Traktorenkolonne für einen Rembrandt’:Stalins Exporte verstaatlichter Kunstsammlungen bis 1938“
Moderation: Michael Wladika

Abstract: In der Zwischenkriegszeit sorgten die Dutzende „Russenauktionen“ in Westeuropa und den USA für Furore. Die sowjetische Regierung veräußerte, unter Hinweis auf die katastrophale Hungersnot im Land, wertvollstes Kulturgut aus vormals privaten Sammlungen, primär westliche bildende Kunst (Rembrandt, Rubens, van Dyck, van Eyck, Velasquez, Tizian, Cranach, Burgkmair, Van Gogh, Cézanne, Renoir), französische angewandte Kunst, Ikonen und Kultgegenstände und Bibliotheken. Vieles stammte aus den Zarenschlössern in und um St. Petersburg sowie aus adelig-großbürgerlichem Besitz. Gerichtsprozesse russischer Emigranten und Beschlagnahmen von Auktionsware waren die Folge. Mit dem Zweiten Weltkrieg gerieten die einst kontroversen Verkäufe in Vergessenheit. Im Zuge von Perestrojka und Glasnost einerseits und der Aufarbeitung der „arisierten“ Kunst (viele Kunden der „Russenauktionen“ waren Juden, deren Bestände u. a. in den Sammlungen Hitlers und Göring landeten) setzte international eine gezielte fachliche Aufarbeitung ein. Die jahrzehntelang tabuisierten Verkäufe werden vom offiziellen Russland heute zutiefst bedauert; Museen, staatliche Stellen und private Sponsoren engagieren sich nun in der Rückführung des nationalen Kulturguts, das namentlich in amerikanischen und westeuropäischen Museen Eingang (Louvre, British Museum, Stiftung Gulbenkian, Getty Museum, National Gallery of Art, Hillwood). Zuletzt geriet der Kauf der New Yorker Sammlung Forbes (Produktion Fabergé) durch einen Moskauer Oligarchen in die Schlagzeilen.
Zur Person: Historikerin, seit 1991 Forschungsprojekte am Institut für Geschichte, Graz, zu Themen der Kultur- und der Sozialgeschichte Russlands und der Sowjetunion (1850-1991), von 2001-2004 Hertha-Firnberg-Stelle (FWF) zum Thema private Kunstsammlungen in Russland und der UdSSR, Museen, inoffizieller Kunstmarkt. Buchpublikationen: Die Moskauer Medici: Der russische Bürger als Mäzen, 1850-1917 (Böhlau: Wien, Köln 1996); sowie, zuletzt, als Co-Autorin und Hg., Verkaufte Kultur. Die sowjetischen Kunst- und Antiquitätenexporte, 1919-38 (Peter Lang: Frankfurt u. a. 2001)

3. November 2004 – Robert Franz REBITSCH (Innsbruck)
„Rupert von der Pfalz – ein deutscher Fürstensohn im Dienst der Stuarts“
Moderation: Martina Fuchs

Abstract: Ruprecht (Rupert 1619-1682), Herzog von Cumberland und Pfalzgraf bei Rhein: Prinz Rupert war der Sohn des pfälzischen Kürfürsten Friedrich V. (der „Winterkönig“) und der Elisabeth Stuart, einer Schwester des englischen König Karls I. Nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg in Holland erzogen, musste er einige Jahre in Linz in kaiserlicher Haft verbringen. Während des Englischen Bürgerkrieges kämpfte er für seinen Onkel und wurde ein berühmter Reitergeneral und Oberbefehlshaber der royalistischen Streitkräfte. Nach der Niederlage Karls I. kehrte er auf den Kontinent zurück und übernahm den Rest der royalistischen Flotte, die von Cromwells Navy quer durch den Atlantik gehetzt wurde. 1659/60 war der Pfalzgraf für Kaiser Leopold I. als Kommandant im 1. Nordischen Krieg tätig. Nach der Restauration des Königtums 1660 erhielt er im zweiten und dritten Englisch-Niederländischen Krieg wichtige Kommandoposten und kämpfte gegen den berühmten Niederländer de Ruyter. Aber nicht nur als Militär stach Rupert hervor, er betätigte sich auch am englischen Überseehandel (Hudson Bay Company) und fiel als Erfinder und Künstler auf. Als solcher wurde er in die Royal Society aufgenommen. Der Vortrag soll die Person Ruperts und auch seine Tätigkeiten für die Habsburger näher beleuchten.
Zur Person: Lehrbeauftragter am Institut für Geschichte: geb. 1968 in Brixlegg/Tirol; Studium der Geschichte und Philosophie/Pädagogik/Psychologie an der Universität Innsbruck; Mag. phil. 1996; Dr. phil. 2000; Dissertation `Tirol, Karl V. und der Fürstenaufstand von 1552" (publiziert Hamburg 2000); 1998/99: Unterrichtspraktikum. Lehrtätigkeit: Proseminar aus Geschichte der Neuzeit. Wissenschaftliches Mitglied des Beirats der Innsbrucker Historischen Studien, Mitglied des Arbeitskreises Militär und Gesellschaft in der frühen Neuzeit. Theodor-Körner-Preis 2002; Projektbearbeiter an der Universität Wien; Forschungsschwerpunkte: Konfliktgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts, Biographien.

10. November 2004 – Theresia GABRIEL (Eisenstadt)
„Die Esterhazy-Kunstkammer“ (in Kooperation mit dem IEFN)
Moderation: Friedrich Polleroß

Abstract: Die Esterházy-Schatzkammer ist die einzige, noch weitestgehend als Originalensemble aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts erhaltene Schatzkammer Europas. 1921 wurde ein Teil der Objekte nach Budapest in das Kunstgewerbemuseum gebracht, wo er bis 1945 ausgestellt war. Dieser Teil der Schatzkammer ist teilweise von den ungarischen Kollegen aufgearbeitet. Was aber bis dato fehlt, ist eine Gesamtbearbeitung der Schatzkammer von ihren Wurzeln bis in die Gegenwart. Das vollständig erhaltene räumliche Ensemble und die umfangreichen schriftlichen Quellen ermöglichen so die Systematik der Kunstkammer, die Intentionen des Sammlers, die Vorbildwirkung anderer Kunstkammern zu erörtern und die Esterházy-Schatzkammer in einen europäischen, zeithistorischen Kontext zu stellen.
Zur Person: 1993-1998 Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien, 1998 Diplomarbeit „Der Stellenwert der Landschaftsmalerei in der Esterházyschen Bildergalerie und ihr Einfluss auf die Gestaltung des englischen Gartens unter Fürst Nikolaus II. Esterházy“; 2004 Postgraduate Lehrgang für Arts and Media am ICCM in Salzburg (Abschluss Juni 2004); seit 2003 Geschäftsführung der Burg Forchtenstein BetriebsgesmbH und Leiterin des gesamten Kulturbereiches der Esterházy Betriebe.

17. November 2004 - Friedrich IDAM (Hallstatt/Wien)
„Gelenkte Entwicklung. Industriearchäologie in Hallstatt“
Moderation: Gerhard Stadler

Abstract: Die Entwicklung der Bebauung des Marktes Hallstatt im UNESCO Welterbegebiet Hallstatt – Dachstein/Salzkammergut bildet den inhaltlichen Schwerpunkt der Forschungsarbeit. Da durch eine Brandkatastrophe in der Mitte des 18. Jahrhunderts die meisten lokalen schriftlichen Quellen verloren gegangen sind, stützt sich die Arbeit in erster Linie auf Materialien des Wiener Hof- und Finanzarchivs. Aus diesen äußerst reichen Beständen konnte eine umfangreiche Quellenedition vorgelegt werden, auf deren Grundlage neue und oft auch überraschende Erkenntnisse über städtebauliche Konzeptionen und bautechnische Entwicklungen gewonnen worden sind.
Zur Person: Totengräber in Hallstatt, Architekturstudium an der TU Wien. Promotion 2003 am Institut für Denkmalpflege und Industriearchäologie. Selbständige freiberufliche Tätigkeit als Bildhauer und Baukünstler. Entwurf und Ausführung von Aufgaben in den Bereichen Innenraumgestaltung, Gewerbe und Industrie. Mitarbeit am Forschungsprojekt Baudenkmäler der Technik und Industrie unter der Leitung von Univ. Prof. M. Wehdorn. Lehrtätigkeit an der HTBLA für Möbel und Innenraumgestaltung Hallstatt.

24. November 2004 – Catherine HOREL (Paris/Wien)
“Multikulturalismus in urbaner Umwelt. Nationale und soziale Vielfalt in den Metropolen der Habsburgermonarchie 1867-1914“
Moderation: Thomas Winkelbauer

Abstract: Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt bei Kulturgeschichte. Dabei werden die Gesellschaftsstruktur, die Stadtplanung, die Stadtpolitik, Bildung und Kunst betrachtet. Es werden die Entwicklung der Stadtgesellschaft durch Multikulturalismus (Nationalitäten und Konfessionen, darunter die Juden), soziale Kategorien (Arbeiter, Frauen, Kinder, Arme, Roma) und Raumverteilung in Betracht gezogen. Der komparativen Dimension kommt eine besondere Bedeutung zu: nicht nur Metropolen wie Wien, Budapest und Prag sind von Interesse, sondern auch Städte mittlerer Größe, die aber eine wesentliche politische, kulturelle oder geographische Rolle spielen. Mit Berücksichtigung der Stadtplanung ist auch der Urbanismus, sind die sanitären Verhältnisse und die Funktion der Stadt als Repräsentation und Trägerin der Modernität gemeint. Dazu kommt selbstverständlich auch die Stadtpolitik in Frage: Opposition zwischen Stadt und Staat ist eine Konstante, aber auch innerhalb der Stadt, wenn neue Gruppen oder Parteien das Rathaus kontrollieren wollen. Städte sind Ort der Bildung und nehmen deshalb oft eine nationale Bedeutung ein. Die Stadt ist einerseits Bastei, andererseits Eroberungsziel.
Zur Person: Univ.Doz., Forschungsbeauftragte (erster Klasse) am Centre National de la Recherche Scientifique und beim Centre d’Ètudes Germaniques in Straßburg. Preisträgerin der Bronzemedaille des CNRS für das Jahr 1999. Gastprofessorin an der katholischen Universität Louvain-la-Neuve (Belgien) und im WS 2004/05 am Institut für Geschichte der Universität Wien. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Habsburgermonarchie und den Beziehungen zu Frankreich., u.a. Juifs de Hongrie 1825-1849, problèmes d’assimilation et d’emancipation. Straßburg 1995; Histoire de Budapest, Paris 1999; Die Restitution des jüdischen Eigentums und die jüdische Renaissance in Mitteleuropa. Frankfurt a.M./Bern 2002.

1. Dezember 2004 – Ute PLANERT (Tübingen)
„Der Mythos vom Befreiungskrieg: Ein historiographischer Topos in der Kritik“
(in Kooperation mit der "Arbeitsgruppe für Frauen- und Geschlechtergeschichte")
Moderation: Christa Ehrmann-Hämmerle
ACHTUNG: ausnahmsweise Hörsaal 50

Abstract: Während der Mythos vom „Befreiungskrieg“ gegen Napoleon in Schul- und anderen Geschichtsbüchern noch immer überdauert, zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass die Erfahrungen der Mitlebenden je nach sozialer Lage, Geschlecht, Generation, religiöser Zugehörigkeit, Region oder auch politischer Überzeugung so sehr voneinander abwichen, dass nicht von einem gemeinsamen ‚Kriegserlebnis’ gesprochen werden kann. Traditionelle und regionale Loyalitäten sowie religiöse Bindungen überwogen landespatriotische oder gar nationale Einstellungen bei weitem. Kriegsbelastungen wurden so weit als möglich abgewehrt, gleich von welcher Seite sie kamen. Der in den männlichen Heldengedichten verherrlichte „Freiheitskampf“ von 1813-1815 erschien vielen Menschen im deutschen Süden und Südwesten nur als Possenspiel, dem sie nach Möglichkeit fern blieben. Der Wunsch nach einem Ende der ständigen Kriege darf nicht mit einer verbreiteten nationalen Haltung verwechselt werden. Erst durch das Ausblenden der vielfältigen und divergierenden Kriegserfahrungen zugunsten einer nationalistischen Deutung, wie sie am Anfang des 19. Jahrhunderts nur von einer bürgerlichen Minderheit vertreten wurde, konnte jener Mythos vom Befreiungskrieg entstehen, der im Vorfeld des antifranzösischen Kriegs von 1870/71 und vor dem ersten Weltkrieg eine so unheilvolle Rolle spielte.
Zur Person: Univ.Doz. für Neuere Geschichte an der Universität Tübingen, Projektleiterin im dortigen Sonderforschungsbereich „Kriegserfahrungen – Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit“. Zahlreiche Arbeiten zur Frauen- und Geschlechtergeschichte, Politik-, Sozial- und Kulturgeschichte vom 18. bis 20. Jh, und zur Nationalismusforschung. Habilitation 2003 über die Erfahrungsgeschichte der Revolutions- und Napoleonischen Kriege im außerpreußischen Raum. Publikation u.a. : Antifeminismus im Kaiserreich. Diskurs, soziale Formation und politische Mentalität. Göttingen 1998; (Hg.): Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne. Frankfurt a.M. 2000.

15. Dezember 2004 – Erhard CHVOJKA (Wien) ACHTUNG ABGESAGT!!!
„’Hat mich Gott en Enklein erleben lassen…’. Zur Entwicklung der Großeltern-Enkelkind-Beziehungen in der Frühen Neuzeit“ (in Kooperation mit dem IEFN)
Moderation: Karl Vocelka

Abstract: Die Beziehungen zwischen Großeltern und Enkelkindern wurden von der Historischen Familienforschung bisher weitgehend ausgeklammert. Bei näherer Betrachtung lässt sich eine entscheidende Zäsur in der Qualität des Verhältnisses zwischen den beiden Generationen während der ersten Jahrzehnte des 18. Jhs. erkennen. Bis dahin waren alte Menschen im familialen Kontext in erster Linie als „alte Eltern“ konnotiert, danach entwickeln sich die normativen Grundlagen der modernen Großelternrollen im Rahmen der bürgerlichen Neukonzeption von „Familie“. Das Thema wird anhand von Ego-Dokumenten, bildlichen Quellen und demographischen Berechnungen beleuchtet.
Zur Person: 1984-1994 Studium der Geschichte in Wien und München; 1994 Dr. phil.; 1992 Forschungsaufenthalt an der „Cambridge Group for the History of Population and Social structure“; Mitarbeiter und Leiter mehrerer wissenschaftlicher Forschungsprojekte und Ausstellungen; 1995-1998 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Universität des Saarlandes (Saarbrücken): seit 2003 Direktor der Wiener Urania. Lehraufträge: Universität Saarbrücken (1995-1997); Universität Salzburg (1996/7), Universität Wien (seit 1999).

12. Jänner 2005 – Annelore RIEKE-MÜLLER (Berlin)
„Religion zwischen Konfessionalisierung als kulturellem Fundamentalprozess und Säkularisierung in der Frühen Neuzeit“
Moderation: Marianne Klemun

Abstract: Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung in der Frühen Neuzeit sind in der Geschichtswissenschaft seit Jahrzehnten erfolgreiche Forschungsperspektiven. Freilich haben sowohl der etatistische als auch der kommunalistische Ansatz bisher in erster Linie die politische Konfessionalisierung, die Kirchenzucht und die sozialnormative Formierung und Kontrolle der Gläubigen sowie die sakrale Architektur und Kunst im 16. und 17. Jahrhundert in den Blick genommen. Zudem fand die Vorstellung besonderen Widerhall, der Protestantismus dieser Zeit sei auf Bücher und auf die Schrift, der Katholizismus dagegen eher auf Bilder konzentriert gewesen. Im Zuge der Verwissenschaftlichung des Lebens und der Aufklärung sei es seit dem Ende des 17. Jahrhunderts zur Säkularisierung und zur Auflösung der Konfessionskulturen gekommen. Der Vortrag beschäftigt sich mit zwei Aspekten der Konfessionskulturen, die diese Annahmen in Frage stellen können: erstens mit der Position Luthers zum Bildgebrauch, den Dingen und den konfessionell begründeten Schlussfolgerungen daraus, zweitens mit der jüngst in der angelsächsischen Forschung mehrfach vertretenen Ansicht, die moderne (Natur)Wissenschaft des 17. Jhs sei der Ausfluss eines puritanischen Zuganges zur natürlichen Welt.
Zur Person: Studium der Geschichte und Geographie, 2001 Habilitation für Neuere und Neueste Geschichte, Privatdozentin an der Humboldt-Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte: Kulturgeschichte, Geschichte der Biologie und ihrer Popularisierung vom 17. bis zum 19. Jh., Exotismus (Europa und die aussereuropäische Welt).

19. Jänner 2005 – Susanne RAU (Dresden)
„Das Kaffehaus am Markt oder Wie Getränke den öffentlichen Raum strukturieren“ (in Kooperation mit dem IEFN)

Moderation: Martin Scheutz

Abstract: Was heute jeder weiß; dass man Neuigkeiten eher am Kaffeeautomaten erfährt oder dass wichtige Entscheidungen manchmal vor den entsprechenden Sitzungen in der Kneipe getroffen werden, galt in gewisser Weise auch schon für die Frühe Neuzeit. Nach Jürgen Habermas hat die historische Aufklärungsforschung die Rolle der Kaffeehäuser bei der Entstehung einer politischen Öffentlichkeit betont; Kaffee sei als das dem Geist der Aufklärung adäquate Getränk betrachtet worden. Am Beispiel der Stadt Lyon soll gezeigt werden, dass diese Charakterisierung nur zum Teil der zeitgenössischen Wahrnehmung entsprach. Im Rückgriff auf neuere sozialwissenschaftliche Forschungen zu „Raum“ soll danach gefragt werden, wie Orte, an denen das exotische Getränk ausgeschenkt wurde, „hergestellt“ wurden, welche Typen es gab, welche (entsprechenden) Funktionen sie erfüllten und wie sie binnen weniger Jahrzehnte ein Stadtbild verändern konnten.
Zur Person: Studium der Geschichte, Philosophie, Romanistik und Allgemeinen Rhetorik in Tübingen, Reims und Hamburg, 2001 Dissertation an der Universität Hamburg, publiziert u.d.T. „Geschichte und Konfession […]“, Hamburg/München 2002; z. Zt. Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sonderforschungsbereich 537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ an der TU Dresden – Projekt über „Institutionelle Ordnungsarrangements öffentlicher Räume in der Frühen Neuzeit“ [vgl. unter Mitarbeiter www.gerd-schwerhoff.de] .

26. Jänner 2005 – Sabine VEITS-FALK (Salzburg)
„Pionierinnen oder Alibifrauen? Die ersten Gemeinderätinnen der Stadt Salzburg“
Moderation: Martin Scheutz

Abstract: Im Salzburger Gemeinderat, bislang ein ausschließlich der „Männerwelt“ vorbehaltenes Terrain, waren erstmals im Dezember 1918 vier Frauen vertreten. Die ersten Mandatarinnen waren – wie in anderen Städten auch – fast ausschließlich in Bereichen tätig, die in das gängige Rollenbild passten, wie z.B. Armenwesen, Erziehung, Bildung und Kultur. Der Frauenanteil von 10 Prozent zu Beginn der Ersten Republik reduzierte sich allmählich, bis in den 1930er-Jahren nur mehr eine Frau vertreten war und der Nationalsozialismus den jungen Frauenrechten und bescheidenen Mitsprachemöglichkeiten von Frauen ein abruptes Ende setzte. Anhand der Biographien von drei Gemeinderätinnen – Schuldirektorin Alice Brandl (Sozialdemokraten), Unternehmerin Fanny Heilmayr (Großdeutsche) und „Private“ Maria Winkler (Christlichsoziale) – wird im Vortrag verdeutlicht werden, über welche Handlungsspielräume Frauen in der Stadtpolitik während der Ersten Republik verfügten.
Zur Person: Mag. Dr. phil., geb. 1967, Studium der Geschichte und Anglistik/Amerikanistik; 1993–2000 Forschungsassistentin am Institut für Geschichte der Universität Salzburg, seit 1996 Lehrbeauftragte an der Universität Salzburg, 2000–2001 Mitarbeiterin im Salzburger Museum Carolino Augusteum, seit 2001 im Archiv der Stadt Salzburg beschäftigt; Forschungsschwerpunkte: Armutsgeschichte, Frauen- und Geschlechtergeschichte (bes. 18. und 19. Jh.), vergleichende Regionalgeschichte.

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