Geschichte am Mittwoch

Programm SS 2015

Ort: Universität Wien - Institut für Geschichte, HS 45
Zeit: Mittwoch, 18.30 s.t. - 20.00 Uhr

Wenn Sie per Mail eingeladen werden wollen, mailen Sie bitte an folgende Adresse: veranstaltungen.geschichte@univie.ac.at

Organisation und Planung: Andrea Brait
Für die IEFN-Vorträge: Susanne Pils

 

11. März 2015

Andrea Griesebner / Georg Tschannett / Susanne Hehenberger: Ehen vor Gericht. Bilanz und Ausblick eines Forschungsprojekts

Jour fixe des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit

Moderation: Andrea Griesebner

Abstract:
Im Rahmen des FWF-Forschungsprojekts „Ehen vor Gericht" (P20157-G08) haben wir uns in den letzten drei Jahren intensiv mit der Ehegerichtsbarkeit des Erzherzogtums Österreich unter der Enns vom ausgehenden 16. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts auseinandergesetzt. Unsere Aufmerksamkeit galt insbesondere jenen Gerichtsprozessen, welche die Beendigung (Verfahren in puncto Scheidung von Tisch und Bett sowie in puncto Nichtigkeit der Ehe) beziehungsweise die Fortführung des ehelichen Zusammenlebens unter bestimmten Bedingungen (Cohabitierungsverfahren) zum Inhalt hatten. Neben der Vielfalt an Konfliktfeldern, welche die Eheleute beziehungsweise deren Anwälte vor Gericht zum Thema machten, interessierten wir uns vor allem für die den Streitparteien zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten und die Frage, welche Faktoren und Kategorien diese erweiterten oder beschränkten. In den Fokus gerieten damit auch die regional und zeitlich sehr unterschiedlichen Bestimmung des Ehegüter- und des Erbrechts. In den in Kernuntersuchungsabschnitte unterteilten drei Jahrhunderten konnten die Ehekonflikte von über 2.100 Ehepaaren eruiert werden. Die primäre Quellenbasis bildeten die Protokollbücher der bis 1783 zuständigen Kirchengerichte sowie die Gerichtsakten der nach 1783 für Ehescheidungen zuständigen weltlichen Gerichte.
Der Vortrag gibt einen Einblick in die Arbeitsweise des Forschungsteams und zieht eine (Zwischen-)Bilanz über die gewonnenen Erkenntnisse.

Webseite: http://ehenvorgericht.wordpress.com

Zu den Personen:
Andrea Griesebner: ao. Univ. Prof. am Institut für Geschichte der Universität Wien. Projektleiterin und Projektmitarbeiterin, wofür sie zwischen Oktober 2011 und Oktober 2014 an der Universität Wien zu 50 Prozent karenziert war.
Georg Tschannett: studierte Geschichte an der Universität Wien; seit 2011 Praedoc beim FWF-Forschungsprojekt „Ehen vor Gericht"; arbeitet an der Dissertation zu „Scheidungen von Tisch und Bett in Wien zwischen 1783 und 1850".
Susanne Hehenberger: Univ.-Lektorin, studierte Geschichte und Politikwissenschaft an den Universitäten Wien und Trier, 2003 Promotion über Sodomieprozesse in der Frühen Neuzeit; seit 2009 Provenienzforscherin im Kunsthistorischen Museum Wien und seit 2011 Postdoc beim FWF-Forschungsprojekt „Ehen vor Gericht" (10 Stunden).

 

18. März 2015

Martin Tschiggerl / Thomas Walach: Buchpräsentation: „The Simpsons Did It! Postmodernity in Yellow."Ort: Fachbereichsbibliothek Geschichte

Moderation: Stefan Zahlmann

Einleitung: Paul Ferstl

Abstract:
Am 17. Dezember 2014 feierte die US-amerikanische Fernsehserie „The Simpsons" ihren 25. Geburtstag - ein bemerkenswertes Jubiläum. Schließlich ist die Serie mit mehr als 550 Folgen aus der täglichen Medienrealität gleich mehrerer Generationen an TV-Sehern und -Seherinnen kaum mehr wegzudenken. Sowohl die immense Popularität als auch die Wertschätzung durch die Kritiker machen die Simpsons zu einem nicht hintergehbaren populärkulturellen Phänomen. In Abgrenzung zu einem überkommenen Kulturbegriff beweisen sie nicht zuletzt, dass die wertendende Unterscheidung zwischen „Hoch"- und „Populärkultur" längst nicht mehr zeitgemäß sein kann. Slavoj Žižek konstatiert der Populärkultur, nicht nur Objekt theoriegeleiteter Forschung sein zu können, sondern ihrerseits selbst Anstöße zur Theoriebildung bereitzustellen. In diesem Sinne ist auch der vorgestellte Sammelband zu verstehen: Die Simpsons als mediale und analytische Matrix, in der Positionen einer intertextuellen und selbstreferentiellen Vorstellung von Postmoderne verhandelt werden können.
Aufbauend auf einen Begriff der Postmoderne, der diese nicht als Epoche begreift, die zeitlich auf die Moderne folgt und sie ablöst, sondern als diskursives Konzept, das geeignet ist, Brüche und Widersprüche in den Metanarrativen der Moderne aufzuzeigen, zielt der Sammelband auf die Frage ab: Wie viel Postmoderne steckt in den Simpsons? Oder mit Žižek gedacht: Wie viel Simpsons steckt in der Postmoderne?

Zu den Personen:
Martin Tschiggerl lebt und arbeitet als Historiker und Journalist in Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kultur- und Mediengeschichte.
Thomas Walach ist Historiker in Wien. Er setzt sich bevorzugt mit Wissenschafts- und Medientheorie auseinander.

 

25. März 2015

Buchpräsentation: Anton Tantner: Die ersten Suchmaschinen. Adressbüros, Fragämter, Intelligenz-Comptoirs (Wagenbach 2015)
Ort: Fachbereichsbibliothek Geschichte

Moderation und Einleitung: Karl Vocelka

Zum Buch: Anton Tantner

Astrid Mager: Alternative Suchmaschinen und deren Ideologien

Abstract:
Was heute Suchmaschinen samt Dating-Apps, Tauschbörsen, Finanzmakler, Jobcenter und Auktionsplattformen übernehmen, versprach in der Frühen Neuzeit eine Institution zu leisten: das Adressbüro. Wer etwas kaufen oder verkaufen wollte, Arbeit, Wohnung, eine Dienstbotin oder einen Arzt suchte oder zu vermitteln hatte, konnte dort sein Anliegen gegen Gebühr in ein Register eintragen lassen oder Auszüge aus diesem Register erhalten. Solche Adressbüros gab es in vielen europäischen Städten, etwa in Paris das Bureau d'adresse, in London die registry oder intelligence offices, in der Habsburgermonarchie die Frag- und Kundschaftsämter und in anderen deutschsprachigen Städten Adresscomptoirs und Berichthäuser.
Das Buch - eine überarbeitete Fassung von Anton Tantners Habilitationsschrift - liefert eine Geschichte des Suchen und Findens von Information aus der Perspektive einer Gegenwart, in der wir ohne Google kaum mehr leben zu können glauben und zugleich Privacy und Datenschutz zentrale Anliegen sind.

Im Anschluss wird zu einem Umtrunk geladen.

Büchertisch vom Literaturbuffet Lhotzky

Zu den Personen:
Karl Vocelka ist Historiker mit dem Schwerpunkt österreichische Geschichte und war bis 2012 Vorstand des Instituts für Geschichte.
Astrid Mager ist Wissenschafts- und Technikforscherin am Institut für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Homepage: http://www.oeaw.ac.at/ita/ueber-uns/das-ita-team/astrid-mager/person
Anton Tantner ist Privatdozent für Neuere Geschichte an der Universität Wien.
Homepage: http://tantner.net

 

15. April 2015

Gijs Kruijtzer: Sodomy and Legal Consciousness in the Early Modern Persian and Latin Worlds

Jour fixe des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit

Moderation: Susanne Hehenberger

Abstract:
In my book project "The Ethics of Exception: Transgression in the Persian and Latin Worlds in the Early Modern Period (1300-1700)", I investigate the tension between individual lives and a number of religious laws. Crucial for this research is to find sources that speak of cases in which an agent is seen to be conscious of the tension between the law and her/his practices. I would like to discuss expressions of such "legal consciousness" from the Persian cultural sphere (Iran, parts of Central and South Asia) and the Latin cultural sphere (Western and Central Europe) through a few concrete examples of strategies to get around the proscription of sodomy, or what was understood by the Latin term sodomia and by the Arabic term liwat. Through the early modern period these terms were constantly redefined - the redefining being part of what I am trying to investigate. Because the proscriptions were constantly redefined we should be careful in applying the label "transgression" to any act of same-sex intercourse in this period, but, on the other hand, we should also not underestimate the suspicion of contemporaries in either region.

Zur Person:
Gijs Kruijtzer is a historian with an eye for art history, legal history and global comparison. He is currently involved in a project comparing early modern South Asia and Europe hosted by the WISO Institute of the University of Vienna and funded by the WWTF. 

 

22. April 2015

Stefan Wedrac: Triest 1914-1918. Geschichte(n) aus einer Stadt im Ersten Weltkrieg

Vorstellungsvortrag als Bewerbung für ein Lektorat am IfG 

Moderation:  Christoph Schmetterer

Abstract:
Im Rahmen des Projektes „Triest im Ersten Weltkrieg“ soll das Schicksal des wichtigen Hafens im globalen Konflikt untersucht werden. Hauptziel ist es, einen Einblick in die administrativen Hauptprobleme einer Stadt im Weltkrieg zu geben. Darunter fällt etwa die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln, die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer zunächst von Flüchtlingen überschwemmten, dann jedoch entvölkerten Stadt oder aber die Bekämpfung von bald nach Kriegsausbruch auftretenden Seuchen wie der Cholera. Hauptquellen dafür sind die Akten der Statthalterei und der Polizeidirektion Triest im Archivio di Stato Trieste. Außerdem werden die Bestände des Innenministeriums und der 5. k.u.k. Armee im Österreichischen Staatsarchiv herangezogen. Das starke Quellenfundament ermöglicht es, die in den vorliegenden älteren, stark nationalistisch gefärbten Arbeiten zu diesem Thema getätigten Aussagen über die angebliche nationale Parteilichkeit der Verwaltung Triests zu relativieren beziehungsweise als unzutreffend zu charakterisieren. Methodisch orientiert sich die Arbeit an den Ansätzen der Stadtgeschichtsschreibung, der Netzwerkanalyse und der Systemtheorie. Das Wirken von Militär- und Zivilbehörden soll dabei erforscht, systematisch beleuchtet und hinterfragt werden.

Zur Person:
Stefan Wedrac, Dr. phil., geb. 1982 in Judenburg, Historiker, Mitarbeiter am Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Lehrbeauftragter am IES Vienna; Publikationen zur österreichisch-italienischen Geschichte, zum Ersten Weltkrieg, zu der Geschichte der Krankenkassen und zur Rechts- und Wissenschaftsgeschichte. Forschungsschwerpunkte: Italienische Geschichte, Geschichte der Habsburgermonarchie, Wissenschaftsgeschichte, Rechtsgeschichte und Geschichte der Krankenversicherung.

 

29. April 2015

Philipp Greilinger: Das Wiener Arsenal in Geschichte und Gegenwart. Ein Fallbeispiel der historischen Systembrüche in Österreich

Vorstellungsvortrag als Bewerbung für ein Lektorat am IfG 

Moderation: Richard Lein

Abstract:
Die Ausführungen des Vortrages beruhen auf den Forschungsergebnissen eines Dissertationsprojektes über Geschichte und Gegenwart des in Folge der Revolutionserfahrungen 1848 in Wien erbauten Militärkomplexes - dem Wiener Arsenal. Der Gebäudekomplex bietet in diesem Zusammenhang einen analytischen Referenzrahmen unterschiedlicher Wandlungsprozesse in Österreich aus Sicht der politischen Systeme. Vor allem Nutzungsentwicklungen, Perzeptionsveränderungen und parteipolitische Auseinandersetzungen ziehen sich über verschiedene historische Systemphasen hinweg - wie ein roter Faden - durch die Geschichte des Wiener Arsenals. Ausgehend von den politischen und militärstrategischen Überlegungen für den Bau des Ensembles, über die Errichtung einer Gemeinwirtschaftlichen Anstalt im Zuge der Sozialisierungsaktionen in Österreich zu Beginn der Ersten Republik, den politisch motivierten Waffensuchen im Arsenal bis hin zu einer neuerlich zunehmenden Militarisierung des Areals in den frühen 1930er Jahren, werden vor allem für die Periode 1938-45 neue Forschungserkenntnisse hinsichtlich der deutschen Rüstungsbetriebe der Wiener Ostmarkwerke basierend auf Archivrecherchen in der BRD und Österreich vorgestellt. Die umfassenden Zerstörungen in den letzten Kriegsmonaten sowie der Wiederaufbau nach 1945 und die vermehrt zivile Nutzung des Komplexes werden den zeitlichen Ausgangspunkt für einen Ausblick bis in die Gegenwart bilden, der den kontinuierlichen Wandlungsprozess des Gebäudekomplexes analog zu den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Österreich unterstreicht.

Zur Person:
Philipp Greilinger, Jahrgang 1984, ist Mitarbeiter des Instituts für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der ÖAW und promovierter Politikwissenschafter. Seine Dissertation befasst sich mit der Geschichte des Wiener Arsenals.

 

6. Mai 2015

Vortrag abgesagt!

Clemens Ottawa: Gezielter Einsatz tertiärer Medien in der Unterrichtssituation und die Etablierung der Mediendidaktik

Moderation: Johannes Mattes

Abstract:
Medienunterstützer Unterricht, ist heute nicht mehr aus den Klassenzimmern wegzudenken und natürlich hat hier vor allem der Bereich der tertiären Medien, also jener, die auf Seiten des Produzenten einen Sender und auf Konsumentenseite einen (technischen) Empfänger benötigen stark zugelegt. TV, Rundfunk, Film, CD-Rom, DVD und Internet gehören diesem Teilbereich an. Vor allem im Geschichtsunterricht (und hier vor allem ab der gymnasialen Oberstufe) wurde schon längst erkannt, dass „Anschauungsunterricht“ nicht nur die Medienkompetenz (im Bereich der Filmsprachen-Analyse)    schult, sondern eben auch Informationsvermittlung von großer Tragweite mit sich bringt.
Im zweiten Teil wird der sukzessiven Etablierung der Mediendidaktik, die sich vor allem mit der Funktion und der Bedeutung von Medien (und Medieneinsatz) im Lehr- und Lernprozess beschäftigt, von ihren Anfängen, bis hin zum gegenwärtigen Verständnis / und der aktuellen Nutzung nachgegangen werden. Seit den 1960er Jahren rückten mediendidaktische Fragen mehr und mehr in den Vordergrund einer neuen Unterrichtsgestaltenden Diskussion. Das wissenschaftliche und praktische Interesse widmete sich zunehmend der Vermittlungsrolle.
Bis heute ist die Positionierung der Mediendidaktik nicht gänzlich geklärt und so wird sie allgemein als Teildisziplin der (handlungsorientierten) Medienpädagogik begriffen, was des Weiteren auch die Medienerziehung, sowie die informations-, medien- oder kommunikationstechnische Bildung impliziert.

Zur Person:Clemens Ottawa, 1981 geboren. Studien der Sprach- und Literaturwissenschaften und der Deutschen Philologie und Geschichte. Selbstständige Publikationen im Sachbuch- und Belletristikbereich. Zweimaliges Wissenschaftsstipendium der Stadt Wien.

 

13. Mai 2015

Markus Ebenhoch: Religion in der portugiesischsprachigen Narrativik des 18. Jahrhunderts 

Jour fixe des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit

Moderation: Anton Tantner 

Abstract:
Die Religionsthematik stellt in der europäischen und amerikanischen Aufklärung einen Zankapfel dar. Das 18. Jahrhundert ist einerseits von religiösem Skeptizismus und Kirchenkritik, andererseits von einer starken Volksreligiosität und neuen Frömmigkeitsbewegungen geprägt. Dieselbe paradoxe Situation besteht größtenteils auch in Portugal, wo die divergierenden Positionen etwa in den öffentlichen Reaktionen auf das Erdbeben von Lissabon (1755) klar zu erkennen sind. Es ist bisher noch wenig erforscht, inwiefern die Debatten um den Status der Religion (im Staat, im kulturellen Leben etc.) in die literarische Produktion Portugals und Brasiliens Einzug gehalten haben. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung im 18. Jahrhundert möchte ich die folgenden Fragen im Rahmen des Vortrags beantworten: Auf welche Art und Weise wird die Religionsthematik in der fiktionalen Erzählliteratur Portugals und Brasiliens aufgegriffen? Was ist die Intention der Texte? Welche literarischen Subgattungen verwenden die portugiesischsprachigen Autoren hierbei? Werden etwa typisch religiöse Genres wie Bekenntnisse, Homilien oder Sentenzen textuell eingewoben? Welchen internationalen literarischen und ideengeschichtlichen Einflüssen unterliegen die Schriftsteller?

Zur Person:Markus Ebenhoch (Mag. theol., Dr. phil.) ist Universitätsassistent für iberoromanische Literatur- und Kulturwissenschaft (Lehrstuhl Prof. Christopher F. Laferl) am Fachbereich Romanistik der Universität Salzburg und forscht in seinem Habilitationsprojekt zur portugiesisch- und spanischsprachigen Aufklärungsliteratur.

 

20. Mai 2015

Stefan-Ludwig Hoffmann: Human Rights and History

7. Gerald Stourzh-Vorlesung zur Geschichte der Menschenrechte und der Demokratie

 

Abstract:
Die Geschichte der Menschenrechte und der Demokratie gehört zu den wichtigen Arbeitsgebieten der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Gerald Stourzh, emeritierter Ordinarius für Allgemeine Geschichte der Neuzeit und einer der renommiertesten österreichischen Historiker seiner Generation, hat das Themenfeld während der fast drei Jahrzehnte seines Wirkens in Forschung und Lehre hier fest verankert und auf diesem Gebiet auch international nachhaltige Impulse gegeben. Anlässlich seines 80. Geburtstags hat die Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät daher die Gerald Stourzh-Vorlesungen zur Geschichte der Menschenrechte und der Demokratie begründet. Jedes Jahr lädt die Fakultät eine prominente Forscherin oder einen prominenten Forscher ein, die bzw. der neue Ansätze und Ergebnisse in einem Vortrag zur Diskussion stellt. Die Vortragsreihe wird im Internet veröffentlicht. Der Vortrag von Stefan Ludwig Hoffmann wird gemeinsam mit dem FSP „Diktaturen, Gewalt, Genozide" veranstaltet.

 

Zur Person:
Stefan-Ludwig Hoffmann ist Associate Professor an der University of California Berkeley, u.a. Autor von „Geselligkeit und Demokratie: Vereine und zivile Gesellschaft im transnationalen Vergleich, 1750-1914" (2003) und Herausgeber von „Moralpolitik. Geschichte der Menschenrechte im 20. Jahrhundert" (2010). Er schreibt derzeit an einer Geschichte Berlins in den 1940er-Jahren und einer Geschichte der Menschenrechte.

 

27. Mai 2015

Ilya Berkovich: Old-Regime Armies? Conscript Armies? The Case of Habsburg Austria (1740-1792)

Moderation: Thomas Winkelbauer 

Abstract:
Histories of the Revolutionary Wars often portray the victories of the young French Republic not only in military but also moral terms. Traditional accounts speak of enthusiastic citizen-soldiers who swept aside the foreign mercenaries of the old-regime monarchies. While recent historiography takes a more nuanced view of the conflict, it still considers the French army as a modern military force, whose use of conscription and humane disciplinary policies has produced stronger cohesion among its soldiery and greater combat effectiveness for the army as a whole. My paper reconsiders this conventional view by presenting my ongoing research on what is commonly seen as one of Europe's most archetypical old-regime armies.
Statistical analysis of regimental muster rolls reveals that landständische Werbung, a system of conscription by the Habsburg provincial assemblies, was the largest single source of Austrian military manpower. This occurred well before mass conscription was introduced to Europe by the French republic. Moreover, this development was well underway before Joseph II allowed regiments to draw recruits directly from the local communities. These reforms are seen as a sign of the growing militarization of German society, pioneered by Prussia's introduction of cantonal system 40 years before. My findings suggest that the establishment of cantons in Austria was not a radical break with the past, but rather the streamlining of an existing practice.

Zur Person:
Ilya Berkovich completed his PhD in Peterhouse, Cambridge, in 2012. He has published items on crusader and eighteenth-century history. His monograph Motivation in War: Ordinary Soldiers in Armies of Old-Regime Europe is forthcoming from CUP.

 

3. Juni 2015

Johannes Mattes: Eine Kartierung des „Unsichtbaren": Inszenierung von Wissens- und Raumkonzepten in historischen Höhlenkarten (16.-20. Jh.)

Moderation: Petra Svatek

Abstract:
Pläne und Lagekarten von natürlichen Hohlräumen stellen eine bis heute kaum untersuchte historische Quellengattung dar.
Zumeist in topografischer Form realisiert, visualisieren sie gleich Hochgebirgskarten die Unwegsamkeiten des Geländes, auf welche man beim Vordringen in eine dem Menschen entzogene Sphäre der Natur traf. Mit der Entwicklung eines über Jahrhunderte eigenständigen Repertoires an Signaturen und Codes, festen Darstellungskonventionen und spezifischen Praktiken der Datenerhebung können planbasierte Höhlendarstellungen jedoch auch als eigener Kartentyp angesehen werden, der je nach Urheber bzw. Auftraggeber ökonomischen, explorativen, wissenschaftlichen oder ästhetischen Interessen genügen musste.
Basierend auf einem kulturwissenschaftlichen Zugang werden im Rahmen des Vortrags Höhlenpläne jedoch nicht nur als Repräsentation eines unterirdischen Raums, sondern vor allem als Raum der Repräsentation untersucht, in dem zeitgenössische Wissens-, Raum- und Körperdiskurse medial ausverhandelt werden. Gerade im Fall von Höhlenkarten sind diese Bezüge durch die spezifische Anforderung an Planzeichner, auch „unsichtbare“ bzw. nicht ausleuchtbare Bereiche abzubilden, besonders deutlich erkennbar.
Der Bogen des Vortrags reicht dabei von dem ersten durch Georg Agricola publizierten Höhlenplan (1546) bis zur weltweiten Standardisierung der Höhlenkartierung in den 1960er Jahren und beruht auf Quellenmaterial von europäischen, aber auch internationalen Höhlengebieten.

Zur Person:
Johannes Mattes, geb. 1983, Studium der Germanistik und Geschichte, seit 2009 AHS-Lehrer, 2013 Promotion in Geschichte, Lektor am Institut für Geschichte der Universität Wien, Generalsekretär des Verbandes Österr. Höhlenforscher, Councillor der History of Earth Science Society, Co-Editor des Journals „Die Höhle – Zeitschrift für Karst- und Höhlenkunde“, Planzeichner. Weitere Forschungsfelder: Wissenschaftsgeschichte, Fest- und Erinnerungskultur, Geschichtsdidaktik, Geschichte des Schlafens, Geschlechtergeschichte.

 

10. Juni 2015

Daniel Groth: 1914-2014: Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und seine Deutungen in deutschen und österreichischen Museen und Ausstellungen

Moderation: Andrea Brait

Abstract:

2014 hat eine wahre Flut an Publikationen und Diskussionen um den nunmehr 100 Jahre zurückliegenden Ausbruch des Ersten Weltkrieges entfacht. Insbesondere Christopher Clarks „Die Schlafwandler" fand innerhalb kürzester Zeit eine breite Leserschaft und führte zu Debatten, die seine Thesen zu einem öffentlichen Thema machten. Seine Ausführungen, die den Kriegsausbruch als Ergebnis einer gemeinsamen politischen Kultur erscheinen lassen, führten zu einer neuen Diskussion um die Verantwortung, die den Mittelmächten in der Julikrise zukommt.
Auch kam es 2014 zu einer Explosion von historischen Ausstellungen, die sich mit dem Ersten Weltkrieg beschäftigten. Wie wurde der Kriegsausbruch 1914 in diesen gedeutet und wie wurden die jeweiligen Sichtweisen öffentlichkeitswirksam inszeniert? Der Vortrag beleuchtet diese Fragestellung am Beispiel von ausgewählten aktuellen deutschen und österreichischen Dauerausstellungen und Sonderausstellungen des Jahres 2014. Welche Perspektive auf den Kriegsausbruch wird jeweils eingenommen? Mit welchen musealen Mitteln wird der Weg in den Krieg inszeniert? Auf welche Diskurse und Thesen um die Verantwortung für den Krieg verweisen die jeweiligen Formen der Deutung und musealen Darstellung?

Zur Person:Daniel Groth ist seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte an der Universität Siegen. Er arbeitet derzeit an seinem Promotionsprojekt zur Musealisierung des Ersten Weltkriegs in Deutschland und Österreich.

 

17. Juni 2015

Malte Griesse: Die mid-17th century crisis als vernetztes europäisches Kommunikationsereignis

Jour fixe des Instituts für die Erforschung der Frühen Neuzeit 

Moderation: Evelyne Luef

Abstract:
Es ist keine Neuigkeit, dass es in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu einer weitgehend präzedenzlosen Häufung von Revolten und Bürgerkriegen in ganz Europa (und auch darüber hinaus) gekommen ist und in der Frühneuzeithistoriographie hat die mid-17th century crisis als Höhepunkt der vielbeschworenen „Krise des 17. Jahrhunderts" dementsprechend auch zahlreiche Debatten ausgelöst. Meistens suchte man nach gemeinsamen strukturellen Ursachen für die verschiedenen politischen und sozialen Verwerfungen. Man fand sie beispielsweise in einer Krise des Feudalismus, in der kleinen Eiszeit, in Missernten, oder auch in einem allgemeinen Legitimitätsverlust der aufgeblähten Renaissance-Höfe angesichts rapide steigender Kriegsanstrengungen und Steuerforderungen. In meinem Vortrag möchte ich diesen jeweiligen Erklärungen ihre Gültigkeit nicht absprechen. Ich vertrete vielmehr die These, dass sich die Krisenereignisse durch die intensivierte länderübergreifende Kommunikation auch gegenseitig beeinflussten und bedingten. Durch die breite Zirkulation von Flugschriften und seit kurzer Zeit auch von regulären Zeitungen erfuhren große Teile der Bevölkerung von den Krisen in anderen Ländern. So konnten sie sich davon inspirieren lassen oder sie ablehnen, in jedem Falle aber mehr oder weniger ausgiebig darüber diskutieren und mit der eigenen Situation vergleichen. Zugleich liefen auch bei den Regierungen durch die Verstetigung diplomatischer Beziehungen viele geheime Berichte zusammen. Auch sie blickten mit gemischten Gefühlen auf diese Revolten und Aufstände im Ausland. Einerseits konnten sie sich über die Schwächung potentieller Gegner freuen, andererseits spürten sie, dass sie selbst im Glashaus saßen - oder auf Pulverfässern. Auch hier drängten sich häufig Analogien mit der eigenen inneren Lage auf. Nicht nur rationales Kalkül, sondern Gefühle wie Angst bestimmten politische Entscheidungen - und die wurden von den Berichten über Revolten oftmals geschürt. Selbstverständlich hatte der Umgang mit den Untertanen auch wieder Auswirkungen auf die Ereignisse im Konfliktfall. Schließlich beobachteten auch viele zeitgenössische Autoren die Häufung von Revolten und führten sie auf gemeinsame Ursachen zurück, zum Teil auf ganz ähnliche, wie sie in der späteren Geschichtsschreibung gefunden wurden. Es geht mir dabei weniger um die angeführten Ursachen, als um die Kommunikation darüber, die ihrerseits zu einem geschichtsmächtigen weil handlungsrelevanten Faktor wurden.

Zur Person:
Studium in Köln, Volgograd, Moskau und Paris. Promotion an der EHESS (Paris) über Meinungsbildung im Stalinismus. Lehre in Paris, Bielefeld und Konstanz. Seit 2013 Leiter der Nachwuchsgruppe „Revolten als Kommunikationsereignisse in der Frühen Neuzeit" am Exzellenz Cluster „Kulturelle Grundlagen von Integration" an der Universität Konstanz. Wichtige Publikationen: Communiquer, juger et agir sous Staline: la personne prise entre ses liens avec les proches et son rapport au système politico-idéologique (2011) und From Mutual Observation to Propaganda War: Premodern Revolts in their Transnational Representations (Hg. 2014).

 

24. Juni 2015

Julia Gebke: (Fremd)Körper. Die Stigmatisierung der Neuchristen im Spanien der Frühen Neuzeit

Moderation: Dorothea Nolde

Abstract:
Die Blutreinheitsideologie („limpieza de sangre“) unterteilte die frühneuzeitliche spanische Gesellschaft in zwei Gruppen: die Altchristen und die Neuchristen. Die Neuchristen, d.h. die Conversos und Morisken, aber auch ihre Nachkommen wurden von den Blutreinheitsideologen als niederrangige Christen angesehen, die ständig zur Apostasie neigen würden. Durch die Anwendung von Blutreinheitsstatuten blieben ihnen wichtige Ämter und Würden verwehrt. An der Schwelle vom 16. zum 17. Jahrhundert lässt sich in den Rechtfertigungsschriften der Blutreinheitsideologen ein gesteigertes Interesse an körperlichen Markierungen feststellen, um der vermeintlichen Unterlegenheit der Neuchristen Sichtbarkeit zu verleihen. Zur Erforschung dieser neuen Fokussierung auf den neuchristlichen Körper und der damit einhergehenden Stigmatisierung bieten sich insbesondere drei von den Blutreinheitsideologen propagierte, körperliche Markierungen an: die kontaminierte Muttermilch der Neuchristinnen, die männliche Menstruation der Conversos und der strenge, neuchristliche Körpergeruch.

Zur Person:Julia Gebke arbeitet derzeit am Zentrum für Wissenschaftsgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz unter der Leitung von Prof. Dr. Simone De Angelis.