Konkordanzdemokraten? Die ÖLfM und die Zivilgesellschaft (1926-2006)

Das Projekt wird die Geschichte und Aktivitäten des Vereins seit seiner Gründung dokumentieren und mit Hilfe der dabei gewonnenen Erkenntnisse das Verhältnis der Liga zur österreichischen und internationalen Zivilgesellschaft erforschen. Die zentrale Ausgangsfrage dafür ist, ob die Österreichische Liga für Menschenrechte (ÖLfM) in ihren verschiedenen Aktionsfeldern als eine spezifisch österreichische, ‚konkordanzdemokratische' Vereinigung oder als transnational agierender, selbstorganisierter Teil der Zivilgesellschaft fungierte. Da die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen und NGOs im allgemeinen bis dato kaum erforscht ist, wird damit ein wichtiges Desiderat der historischen und politikwissenschaftlichen Forschung erfüllt.
Inhaltliche Themenschwerpunkte des Projekts stellen die Bereiche Personen- und Organisationsstruktur der Liga, Pädagogik, Bildung, Menschenrechtserziehung (etwa auch in gesellschaftlichen Fragen wie Homosexualität), Information, internationale und nationale Kooperation in Friedensinitiativen, Rechts- und Sozialhilfe, Volksgruppen und Minderheiten in Österreich, Kulturaktivitäten sowie Frauenrechte dar. Diese Themenfelder orientieren sich an den Leitmotiven der Österreichischen Liga für Menschenrechte (ÖLfM).
Für die dafür notwendige Forschungsarbeit ist vor allem das Archiv der Österreichischen Liga für Menschenrechte (ÖLfM) in Wien von Relevanz. Mit Hilfe dieses detailliert geführten Archivs, welches unter anderem alle Vorstands- und Generalversammlungsprotokolle sowie Mitgliederbewegungen und -daten seit 1945 umfasst, lässt sich die Geschichte der Liga vom Zeitpunkt ihrer Wiedergründung (1945) bis in die heutige Zeit nahezu lückenlos erschließen. Ergänzt werden diese Angaben durch fünf Zeitzeugen. Diese gehörten bzw. gehören jeweils seit den 1960er Jahren dem Ligavorstand an und prägten die Vereinsarbeit in den oben genannten Hauptaufgabengebieten. Die bis dato weitgehend unerforschte Geschichte der ÖLfM von ihrer Gründung im Jahre bis zu ihrer Selbstauflösung (1926-1938) lässt sich dagegen nicht über das Ligaarchiv rekonstruieren. Daher ist es notwendig, Korrespondenzen und Nachlässe der Liga-Vorstandsmitglieder der Ersten Republik in weiteren Archiven in Wien sowie Graz, Innsbruck und Moskau durchzuforsten. Vor allem das ehemalige Sonderarchiv des KGB in Moskau, in welches nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Akten aus Deutschland und Österreich verschafft worden waren und das erst seit Anfang der 1990er Jahre der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft zur Verfügung steht, bietet hierzu zahlreiches, bis dato ungesichtetes Material. Ziel des gesamten Projekt ist es, die Forschungsergebnisse in einer Monographie zu veröffentlichen.